Es gibt Menschen, die Berufe ergreifen und ausfüllen, die weniger bekannt oder kaum beachtet sind. So unterschiedlich die Tätigkeiten und Inhalte auch sind, so eint sie doch etwas: Pure Leidenschaft für ihr Thema. In der Interviewreihe “Berufung als Beruf” möchte ich diese Menschen, ihren beruflichen Werdegang und ihre Lebenseinstellungen vorstellen und zu Wort kommen lassen, die ihr ganz besonderes Etwas entdeckt und entwickelt haben, es leben und erlebbar machen.
Raimund Verspohl ist für mich nicht nur Porträtfotograf, sondern auch ein echter „Seelengucker“, der weit hinter die stylistisch aufgehübschte Fassade des jeweiligen Gegenübers blickt und einen Teil des so entdeckten Persönlichkeitskerns über seine Fotolinsen sichtbar werden lässt. Er hat viele Menschen porträtiert, die ich kenne – ich finde sie auf Raimunds Fotos immer als diejenigen wieder, die ich zuvor live erlebt habe. Das ist für mich ein wesentliches Kriterium hoher fotografischer Qualität, denn auch mir ist gelebte, sicht- und spürbare Authentizität wichtig – im Leben wie im Business.
Viel Freude und gute Inspirationen beim Lesen von Raimunds Interview!
Bitte stell Dich, Deinen Beruf und Deinen Werdegang kurz vor.
Coaches bilden mittlerweile die größte Gruppe meiner Auftraggeber:innen. Des Weiteren PR Agenturen, Verlage, Autor:innen, Schauspieler:innen, Künstler:innen, Persönlichkeiten aus dem Showgeschäft und der Politik, sowie die Huffington Post, Burda und Siemens.
Die erste ernstzunehmende Kamera bekam ich zu meinem 18. Geburtstag. Damals dachte ich aber nicht mal im Traum daran, einmal professioneller Fotograf zu werden. Nach dem Abitur, dem Diplom in Grafik- und Kommunikationsdesign und ein paar Monaten am Theater im Pumpenhaus verließ ich Münster in Richtung München. Dort gab es Ende der 80er Jahre die einzige Möglichkeit in Deutschland, Computer-Grafik-Ausbildungen zu besuchen. Grafikdesign beherrschte ich bereits ganz ordentlich und den Umgang mit Computern wollte ich sowieso schon lange endlich mal lernen.
Anfang der 90er, als Grafikdesigner in Münchner Werbeagenturen und später selbstständig, blieb die Fotografie weiterhin ein Hobby. Auch wenn ich da schon das ein oder andere Reisefoto an Verlage verkaufen konnte. Ich fotografierte Postkartenmotive. Möglichst ohne Menschen. Auf dem Vorplatz einer Kathedrale wartete ich gerne schon mal so lange, bis kein einziger mehr im Bild war. Porträts fotografierte ich lediglich für Freund:innen, ab und zu.
Mitte der 90er ging ich mit einer großen Kiste voller Fotoabzüge zur Bavaria-Bildagentur. „Richtig tolle Fotos,” sagten die „aber wir brauchen Dias. Tut uns leid.“ Bevor ich anschließend für neun Monate nach Indonesien ging, kaufte ich folglich gleich mal einen ersten Schwung Diafilme. Zurück kam ich mit hunderten belichteter Diafilme – aber auch mit einer ersten Digital-Kamera.
Wann hast Du Deine berufliche Leidenschaft erkannt und wann sie zum Beruf gemacht?
Von Mitte 2009 bis Mitte 2012 hatte sich – oder besser, hatte ’ich’ – mein Leben in relativ kurzer Zeit ziemlich auf den Kopf gestellt. Nach Jahren der Stagnation ging endlich wieder was vorwärts – weiter. Etwas Neues, Besseres. Ich fühlte mich wieder lebendig und voller Energie.
In der Zeit begann ich damit, meine Fotos auf diversen Social Media-Kanälen zu zeigen und Social Media-Events zu fotografieren. Daraufhin folgten schon bald erste Aufträge für Porträtfotos. Meine Leidenschaft für die Porträtfotografie wurde nun schnell offensichtlich. Ich hatte bis dahin keine Ahnung, wieviel Energie ich aufbringen, wie unermüdlich ich sein kann und wie sehr ich die Zeit und alles um mich herum vergessen kann, wenn ich fotografiere.
Der Entschluss, Porträtfotografie zu meinem Hauptberuf zu machen fiel 2010/2011.
Was (und/oder wer) hat Dir auf diesem Weg Mut gemacht und Dich gestärkt?
Kund:innen, die mit strahlenden, glücklichen Augen auf ihre Porträts gucken, die ich von ihnen gemacht habe, sind die beste Bestätigung.
Konstruktives Feedback und Empfehlungen, besonders von den Menschen, die sich die Mühe geben, genau zu beschreiben, was sie in meiner Fotografie sehen und warum sie sie mögen.
Außerdem habe ich mich vor kurzem coachen lassen. Stärkung noch mal auf ganz anderem Wege. War eine gute Entscheidung.
Wo liegen oder lagen Hindernisse – welchen Preis hat es Dich gekostet (oder kostet es noch)?
Hindernisse lagen fast ausschließlich in mir selbst. Mangelndes Zutrauen. Angst vor negativer Kritik. Das zu überwinden hat mich Zeit gekostet. Zeit, in der ich einfach schon hätte loslegen können, anstatt zu zögern.
Würdest Du heute etwas anders machen?
Definitiv würde ich viel früher nach Unterstützung und Hilfe fragen und meine Schwächen sowie Ängste offen ansprechen. Bei einem Coach oder jemandem, der mir nahe steht und dem ich vertrauen kann.
Vor oder neben einer Fotografen-Laufbahn würde ich noch eine als Musiker probieren. Bevor ich 1988 nach München ging, war Musik machen – allein oder in Bands – ein zentraler, wichtiger Teil meines Lebens. Der fehlt seitdem.
Was würdest Du jemandem empfehlen, der an sich und seinen Fähigkeiten zweifelt und sich so nicht auf seinen Weg begibt bzw. ihn abbrechen will?
Lass Dich coachen! Such Dir Menschen, die Dir gute Fragen stellen und positive Impulse geben. Finde Menschen, die das Potenzial in Dir sehen, dieses sichtbar machen und fördern. Mach nicht den Fehler, den ich lange gemacht habe, indem Du versuchst, alles mit Dir allein auszumachen.
Was wünscht Du Dir/welches Ziel hast Du für die Zukunft und wie sehen Deine nächsten Schritte aus?
Die Art, wie ich fotografiere beziehungsweise porträtiere, beinhaltet sehr viele Coaching-Aspekte, wie mir oft gesagt wird. Das war nie beabsichtigt, ist aber nun mal so. Und es ist gut und stimmig für mich. In den Shootings entsteht meist mehr, als dass Du mit einer Auswahl an guten Fotos nach hause gehst. Du lernst, Dich neu zu sehen. Du lernst, Dich gerne zu sehen. Was Deiner Sichtbarkeit einen immensen Schub geben kann. Und vieles mehr.
Ich wünsche mir nun, diese Arbeitsweise sichtbarer machen zu können. Die Schwierigkeit hierbei liegt darin, dass ich selbst nach vielen Gesprächen hierzu immer noch nicht weiß, wie ich das ’wie ich arbeite’ kurz und griffig formulieren kann und so meiner Kombination aus Fotografie und Coaching einen knackigen Produktnamen, eine attraktive Verpackung geben kann.
Ein nächster Schritt wird sein, ab diesem Jahr eine Coaching-Ausbildung zu besuchen.
Welche Frage hätte ich Dir noch stellen können oder sollen?
„Was ist Dir wichtig bei der Arbeit?“
Meine Antwort: Respekt, Vertrauen und Humor. Durch die Porträtfotografie habe ich das Glück, mit ganz wunderbaren Menschen zu tun zu haben. Menschen, die großen Wert auf respektvollen Umgang legen. Menschen, denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wichtig ist. Menschen mit einem ganz feinen Humor. Wir lachen viel, führen aber auch sehr ernste, intensive Gespräche, die inspirieren und bereichern. Das passt immer ganz wunderbar zusammen.
Ich bedanke mich bei Raimund Verspohl sehr herzlich für das Interview und empfehle immer wieder mal einen Webspaziergang auf raimund verspohl portraitfotografie. Und wer sich nun immer noch fragt, wer denn wohl für meine Porträtfotos verantwortlich zeichnet, dem sei der Blick ins Impressum empfohlen. Oder das erneute Lesen dieses Interviews 😉