Berufung als Beruf: Jan Meier

Es gibt Menschen, die Berufe ergreifen und ausfüllen, die weniger bekannt oder kaum beachtet sind. So unterschiedlich die Tätigkeiten und Inhalte auch sind, so eint sie doch etwas: Pure Leidenschaft für ihr Thema. In der Interviewreihe “Berufung als Beruf” möchte ich diese Menschen, ihren beruflichen Werdegang und ihre Lebenseinstellungen vorstellen und zu Wort kommen lassen, die ihr ganz besonderes Etwas entdeckt und entwickelt haben, es leben und erlebbar machen. 
Jan Meier ist Direktor Kostüm, Maske und Garderobe der weltweit renommierten Salzburger Festspiele. Der rothaarige Lübecker erfüllt einen Beruf, der nicht nur großes Einfühlungsvermögen und herausragende Kreativität erfordert, sondern auch jede Menge handwerkliches Können und Wissen sowie hohe Flexibilität, eine ordentliche Portion Resilienz, ein großes Organisationstalent sowie Klarheit in der Führungsverantwortung und der Kommunikation. Denn im Vorfeld der weltweit beachteten Salzburger Festspiele umfasst sein Team etwa 250 Personen. Über welche Stationen sein Weg von Norddeutschland nach Österreich verlief, verrät Jan in diesem Interview. Viel Freude und gute Inspirationen beim Lesen!

Jan Meier, ein Nordlicht in Österreich. Klar, kreativ, weltgewandt, mutig, reflektiert, lösungsorientiert, anpackend. Und ein Redhead. (Foto: privat)

Bitte stell Dich, Deinen Beruf und Deinen Werdegang kurz vor.

Seit 2015 bin ich Kostümdirektor der Salzburger Festspiele. Mein Weg dorthin war kurvenreich und bot mir immer wieder Gelegenheit zu prüfen, wo ich aktuell stand und wohin ich wirklich wollte. Ich stamme aus Lübeck und mein Weg führte von einer Ausbildung zum Kürschner über ein Intermezzo an einer Hamburger Akademie für Modedesign zunächst hinter und vor den Tresen eines Cafés. Und in ferne Länder, denn ich reiste damals gerne und ausgiebig. Dem textilen Gestalten gehörte jedoch immer mein Herz: Ich kreierte eigene kleine Kollektionen sowie Kunst und Modeprojekte und konnte ab 1998 auch erste Schritte als Aushilfsschneider am Theater in Lübeck gehen. Assistenzen führten mich weiter nach Freiburg und Basel, an die Oper Graz, die Salzburger Festspiele und die Ruhrtriennale. Und so legte ich unbewusst sukzessive den Grundstein für meinen heutigen Beruf: Seit 2002 arbeite ich als freier Kostüm- und Bühnenbildner. Kreuz und quer ging es durch Europa, an die wunderbarsten Häuser der Theater- und Opernwelt. 2004 kam zum Kreativen noch die Administrative hinzu: Ich wurde freier Produktionsleiter bei der Ruhrtriennale und 2007 Leiter der Kostümabteilung. Ein bewegtes und bewegendes Leben also. 

Wann hast Du Deine berufliche Leidenschaft erkannt und wann sie zum Beruf gemacht?

Kreativ war ich schon immer: Als Kind ein Punk, ein Freigeist. Aus allem, was ich fand, bastelte ich etwas, mein Zimmer gestaltete ich jede Woche neu und ebenso den Garten. Ich baute Teiche, drapierte aus Gardinen und Überdecken Kleider und gab meiner Familie Vorstellungen zu den unterschiedlichsten Themen.
Als in den 1980er Jahren mein Vater starb, veränderte sich vieles und ich erlebte meine Jugend und Pubertät eher introvertiert. Und doch blieb die Kreativität mein zuverlässiger Begleiter. Bei einem Umzug begegnete mir ein Foto wieder, das mich beim Schulpraktikum im Malsaal des Lübecker Theaters zeigt. Auch wenn ich damals sicherlich keine Gedanken an eine spätere Karriere am Theater hegte, so war dies wohl doch eine erste Annäherung und zündete unbewusst den Funken in mir.
Aber zunächst ging es um die große Frage, was ich eigentlich nach der Schule machen sollte und wollte. Eines Tages stand ich vor dem Schaufenster eines Lübecker Kürschners. Als Kind hatte ich gern in den Pelzmänteln meiner Mutter gekuschelt – und nun suchte ich einen Praktikumsplatz. Also fasste ich mir ein Herz, betrat das Geschäft und verließ es mit einer Zusage. Damals hatte das Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ noch starke Gültigkeit und so musste ich mich zwei Wochen vielen Widerständen stellen: Die Regeln in der Werkstatt waren hart, um sieben Uhr war Arbeitsbeginn. Und: Auch dort war ich der Freestyler und wollte umgehend all die neuen Dinge ausprobieren, die sofort in meinem Gehirn herumspukten. Natürlich machte ich dabei auch Fehler und wurde dafür nicht gerade mit Lob überschüttet. Als Sahnehäubchen zog ich schließlich in meinem Abschlussbericht ein nicht wirklich positives Praktikumsfazit. Als es nach einem Jahr auf den Schulabschluss zuging, war es allerdings doch tatsächlich die Kürschnerei, die mein Herz bewegt hatte.

Jan Meier lässt sich keinen Bären aufbinden: Im Kristall-Atelier mit Ursula Kudrna (Foto: Salzburger Festspiele, Anne Zeuner)

Trotz des ja eher kantigen Praktikums begann ich meine Lehrzeit in besagtem Betrieb. Ich lernte alle Grundlagen und war Zuarbeiter für die Gesellen. Wir waren insgesamt zehn Lehrlinge und verstanden uns bestens. Mein größtes Glück: Ich lernte beim Innungsmeister. Unsere Kundschaft legte Wert auf Exklusivität und liebte Nerze, Zobel, Luchse und Chinchillas – für mich bedeutete das beste Voraussetzungen, diesen Beruf in seiner ganzen Vielfältigkeit zu erfahren. So lernte ich dies besondere Material und seine Bedeutung, seine Historie, Zucht und Verarbeitung auf beste Weise kennen und schätzen. 

2013 feierte Jan Meier mit Shakespeares Ein Sommernachtstraum“ sein Debüt bei den Salzburger Festspielen. Hier zu sehen: Karoline Eichhorn als Titania und Michael Rotschopf als Oberon (Foto: Salzburger Festspiele)

Als einziger männlicher Lehrling wurde ich hart rangenommen, nicht zuletzt wegen des vorangegangenen Praktikums. Das war nicht immer leicht, aber letztlich hat es sich gelohnt, denn es schuf die Grundlagen für meinem weiteren Werdegang. 
Ein sehr schöner und durchaus prägender Moment war, als mein Chef alle Lehrlinge zu sich in den Hof bestellte. Hatten wir etwas ausgefressen und ihn verärgert? Nein. Er bat uns vielmehr an einen Schmetterlingsstrauch, in dem ein Schmetterling saß. Er sah uns an und sagte: „Die Natur gibt es uns vor: Beide Seiten sind perfekt identisch. Genauso müsst Ihr arbeiten.“ Für mich war das ein nahezu magischer Moment, der meine Sichtweise auf die Arbeitsstücke maßgeblich beeinflusste. 
Obwohl dort meine erste berufliche Leidenschaft entstand, entschied ich mich nach der Lehre gegen den Verbleib in dem Betrieb, auch wenn mir angeboten wurde, meine Geselljahre sowie die Meisterprüfung zu unterstützen. Sogar über eine Übernahme des Geschäfts wurde bereits geredet, weil es keine Nachfolger gab. Aber ich spürte: Da kommt noch was. Ich wollte studieren, Mode machen – und musste dafür mein Abitur nachholen. Das entsprach wiederum keiner Leidenschaft und so brach ich nach einem halben Jahr ab. Ich bewarb mich in Hamburg an einer Privatschule für Mode, wurde angenommen und konnte mit Unterstützung und Halbwaisenrente auch alles halbwegs finanzieren. Es war toll, rundum klasse, mit wunderbaren Leuten – ich habe es sehr genossen! 

Markus Meyer als Puck im Sommernachtstraum (Foto: Salzburger Festspiele)

Allerdings kam dann der Zivildienst dazwischen. Ich entschied mich für eine Tagesstätte für psychisch Kranke. Das war ein totaler Bruch und zugleich eine sehr wichtige Erfahrung in meinem Leben – für den Umgang mit Kollegen und Patienten sowie allgemein mit herausfordernden Situationen. Diese Zeit hat mich sehr geprägt, sensibel gemacht. 
Nach zwei Jahren kehrte ich an die Modeschule zurück. Leider bestand mein Semester nun ausschließlich aus wohlhabenden Mitschülern. Weil bei mir jedoch das Geld knapp wurde, begann ich, in einer Kneipe zu jobben. Nach einem Semester hatte ich meine bisherige Leidenschaft an der Mode irgendwo verloren und verließ die Schule. So, und nun? Ich arbeitete weiter in der Kneipe, bin von der Küche an den Tresen und von dort in den Service. Die Geschichte wäre zu lang, um sie hier zu erzählen, aber das erwuchs zu einer weiteren Leidenschaft von mir: Menschen eine gute Zeit zu bereiten, ein guter Gastgeber zu sein. Das Café entwickelte sich zu meiner Bühne, ich erweiterte meine Persönlichkeit, verlor meine Scheu und entwickelte mit der Zeit ein gesundes Selbstbewusstsein. Diese sechs Jahre zähle ich zu meinen besten und möchte sie nicht missen. Nebenbei nähte ich weiter, kreiierte eine kleine eigene Kollektion, stellte mit Freunden Projekte auf die Beine. 

Shakespeares Sommernachtstraum mit Spitz Schlung, Herwig Eichhorn, Graf Moritz in Meierschen Kreationen (Foto: Salzburger Festspiele, Ruth Walz)

Und ich bereiste Nord- und Mittelamerika sowie Asien. In Houston und New York besuchte ich aus purer Lust am Staunen und Stöbern auch immer wieder Luxuskaufhäuser sowie Pelzsalons. Nach anfänglicher Reserviertheit blüten die Verkäufer und Inhaber auf, als ich erzählte ich sei ein deutscher Kürschner. Es folgten konkrete Angebote, ich solle kommen und in Amerika arbeiten. Kurz erwog ich das tatsächlich, lehnte jedoch schließlich doch ab, denn der Schritt war mir zu groß. Wer weiß, wo ich heute wäre?
Mit 27 Jahren wollte ich etwas verändern, denn das Kellner-Leben ist endlich und die Spaßzeit hält nicht ewig an. So bewarb ich auf eine Lehrstelle als Herrenschneider am Theater. Dass das die Königsklasse ist, war mir bewusst. Ich durchlief den Bewerbungsprozess, kannte sogar einige Theaterleute aus meiner Gastrozeit – und wurde schließlich mit der Begründung abgelehnt, ich sei zu alt und besäße zu viel Vorbildung. Ein echter Magenschwinger war das, an dem ich ordentlich zu knabbern hatte! 

„Die Komödie der Irrungen“ von William Shakespeare stand 2015 auf dem Spielplan (Foto: Salzburger Festspiele, Ruth Walz)

Zum Glück hatte ich jedoch mein Interesse bekundet, als Aushilfe zur Verfügung zu stehen. Als jemand erkrankte, erhielt ich für sechs Wochen einen Halbtagsvertrag. Es machte mir so riesigen Spaß, dass ich eine anschließende sechsmonatige Asienreise absagte. Der Vertrag wurde verlängert und ich blieb! Nun wusste ich: Das ist meins, in diesem Bereich will ich arbeiten. Ich schneiderte, war als Mädchen für alles auch im Ankleidedienst und in der Färberei tätig, durfte bei Anproben dabei sein und entdeckte zunehmend meine Liebe zur Kunst. Kostümbildner, das war mein Ziel – aber wie ohne Studium und Vorbildung? Die Zweifel wurden zum Glück immer wieder von Kolleg:innen zerstreut und sie ermutigten mich, über Hospitanzen Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen. Nach dem Vertragsende in Lübeck ging ich also als Hospitant einer befreundeten Kostümbildnerin für eine Produktion an das Freiburger Theater. Das war der Einstieg: Es folgten Gastassistenzen in Freiburg und Basel und zurück nach Freiburg als fest angestellter Kostümassistent. 
Ich entdeckte rasch mein Talent und lernte viel, stets mit absoluter Präzision. In Köln machte ich weitere Schritte, in größeren Werkstätten, mit Gewandmeistern der alten Schule, von denen ich wahnsinnig viel gelernt habe. Tolle Künstler! Und ich durfte die internationalen Teams betreuen, was mir ganz nebenbei die Scheu vor Fremdsprachen nahm. 
Die Zeit an der Kölner Oper machte mir endgültig klar: Das Theater ist mein Berufsfeld – alles, was ich bis dahin gemacht hatte, fügte sich nun perfekt zusammen: Die Lehre als gute Grundlage, das Studium für die Basis in Zeichnen und Gestaltung, die Zivi-Zeit in der Psychiatrie für souveränen Umgang mit der menschlichen Psyche und das Kellnern für den Umgang mit Menschen und  Stresssituationen. 

„Die Komödie der Irrungen“ von William Shakespeare (Foto: Salzburger Festspiele, Ruth Walz)

Nach einem sehr prägenden Jahr in Köln folgten erste Engagements als Kostümbildner, parallel dazu arbeitete ich als freier Assistent in Graz, bei den Salzburger Festspielen und der Ruhrtriennale. Weil mich auch immer der jeweilige Raum in all seinen Möglichkeiten interessiert hat, begann ich kurze Zeit später auch Bühnenbilder zu entwerfen. Zunächst an kleinen Häusern, hier habe ich wieder mal alles von der Pieke auf gelernt. Wenn ich heute als Ausstatter arbeite, zählt für mich das gesamte Werk – und dass es eine Handschrift hat, aus einem Guss ist. Und so kann ich mich dann eben auch mit mir selber streiten, wenn der Bühnenbildner in mir einen komischen Bodenbelag gewählt hat und die Lieblingsschuhe der Kostümbildners in mir nicht funktionieren … das kann mitunter recht amüsant sein. 
Während einer persönlichen Krise nach einer Trennung reifte die Zeit für etwas Neues und so nahm ich das Angebot zum Produktionsleiter bei der Ruhrtriennale sehr gerne an. Ganze elf Jahre blieb ich im Ruhrgebiet. 2014 war erneut ein Krisenjahr: Eine Trennung, zu viele Projekte – schließlich der Zusammenbruch. Burnout. Ich musste alles absagen. Es war die schwärzeste Zeit in meinem Leben. Herausgeholfen hat mir ein Netz aus Kollegen, Freunden und den richtigen Ärzten. Sie standen zu mir, sie waren an meiner Seite. Es ging wieder bergauf.  

Und dann kam das Angebot, bei den Salzburger Festspielen die Kostümabteilung zu leiten. Der nächste Schritt. Die nächste Herausforderung. Ein Ganzjahresjob. 30 feste Mitarbeiter:innen, insgesamt 250 im Sommer. Wie geht man das an, eine Abteilung eines der größten und renommiertesten Festivals weltweit zu leiten? Mit Klarheit: Ich legte meinen Fokus auf Strukturierung, Personalführung und Entwicklung. Wie immer erstmal intuitiv, später auch mithilfe von Coachings und Seminaren. Ich bestimmte und strukturierte die Arbeitsbereiche und begann, meine Pläne mit Bedacht umzusetzen. Was für ein Gefühl, als sich Stück um Stück alles wunderbar fügte und wir tolle Erfolge feiern konnten! 

Jan Meier mit seinem Entwurf des Kostüms der Manon Lescaut. Die mit 35.000 Swarovski-Kristallen besetzte Robe trug Operndiva Anna Netrebko 2016 bei der konzertanten Aufführung der Oper von Giacomo Puccini (Foto: Salzburger Festspiele, Anne Zeuner)

Zusammenfassend kann ich sagen: Kritische Lebenssituationen und echte Krisen brachten mich immer voran – so schlimm sie auch zunächst erschienen. In ihnen wuchs ich und entwickelte mich weiter. 
Außerdem hatte ich viel Glück in meinem Leben und traf immer wieder großartige und wohlwollende Menschen, die mich ein Stück weiterbrachten. Dennoch bin ich mir immer treu geblieben und habe das gemacht, worauf ich Lust hatte. Ob große Oper oder Off-Theater: Das Projekt zählte. 

Was (und/oder wer) hat Dir auf diesem Weg Mut gemacht und Dich gestärkt?  

Das merkt man ja meist erst hinterher. Der Mut und die Stärke kommen aus mir. Freunde und Kollegen haben meinen Weg begleitet und mir Feedback gegeben. So haben sie mich in meinem Weg bestärkt. 
Den größten Mut entwickelte ich in meiner Zeit als Kellner, der Gastraum war meine Bühne, ich war der Entertainer. 
Vieles ließ ich auf mich zukommen, hatte es nicht geplant. Es ist in meinem Leben passiert – und wenn ich eine innerliche Gegenwehr spürte, verabschiedete ich mich wieder davon. Die Familie hat mich zwar finanziell unterstützt, aber stand meinem Leben sonst manchmal etwas ratlos gegenüber. Wo das wohl hinführen sollte?  

Wo liegen oder lagen Hindernisse – welchen Preis hat es Dich gekostet (oder kostet es noch)?

Hindernisse gibt es in der Rückschau nicht. Vielleicht dachte ich manchmal zu sehr in der Umsetzung, weil ich Ausstattung nie „richtig“ studiert habe? Und in der Leitungsfunktion fehlte es mir manchmal ein wenig an Handwerkszeug für Management und Personalführung, aber das habe ich mir erarbeitet. Der höchste Preis, den ich gezahlt habe, war und ist, dass ich meine Heimat aufgeben musste. Seit mehr als 20 Jahren fühle ich mich als Reisender. Es ist nicht immer einfach, an neuen Orten Freunde zu finden, ein mir zusagendes Umfeld aufzubauen oder auch alte Freundschaften zu pflegen. 

Würdest Du heute etwas anders machen?

Nein, es ist alles gut wie es ist. Man könnte immer etwas anders machen. Ich bin meinen Weg gegangen und ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. 
Der Mensch macht Fehler und hinterher ist man immer schlauer. Es kommt immer auf die Situationen an, in denen man ist. Wichtig ist meines Erachtens, dass man sich seiner Entscheidungen und Handlungen bewusst ist. Erst dann kann man erkennen, was man hätte anders machen sollen, wollen oder können – und daran arbeiten. Ich hätte mir vielleicht ein wenig mehr Zeit nehmen können, wann immer ich mich verändern wollte. Das kam zu kurz, denn meist sprang ich recht zackig in die nächste Phase. 

Gut behütet: In der Kostümwerkstatt mit der Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler (Foto: Salzburger Festspiele, Anne Zeuner)

Was würdest Du jemandem empfehlen, der an sich und seinen Fähigkeiten zweifelt und sich so nicht auf seinen Weg begibt bzw. ihn abbrechen will?

Geh Deinen Weg in der Geschwindigkeit, die Du benötigst. Manchmal ist das schnell, manchmal langsam, manchmal gehst Du eine Teilstrecke auch gar nicht. Aber auch das hat seinen Sinn. Schlimm ist es, sich und seine Umwelt damit verrückt zu machen oder gar griesgrämig zu werden.
Wenn Du auf Dich hörst und halbwegs mit Dir im Reinen bist, wirst Du Deinen Weg finden und gehen. Manche verfolgen ihren Weg gerade und zielstrebig, manche nehmen wie ich Umwege. Wichtig ist es, sich immer zu vertrauen. Das ist gerade in der heutigen Gesellschaft schwierig: Leistung zählt, der Druck wächst, man kann kaum experimentieren, sich Zeit nehmen, um zu sehen, was das richtige ist. Abi, Studium, Job – so lauten die Vorgaben der Gesellschaft. Warum nicht Realschule, Ausbildung und dann weitersehen? Die Hauptsache ist eine solide Grundlage, von da aus geht alles. 

Und immer wieder die unvergleichbare Anna: 2019 brillierte La Netrebko bei der konzertanten Aufführung von Adriana Lecouvreur in einer smagardfarbenen Seidenrobe. (Foto: Salzburger Festspiele, Marco Borrelli)

Was wünscht Du Dir/welches Ziel hast Du für die Zukunft und wie sehen Deine nächsten Schritte aus?

Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit immer wieder. Ich habe es in den Zenith der Theaterwelt geschafft. Was kann da noch kommen? Wie möchte ich arbeiten, wie möchte ich leben, mit welchen Menschen möchte ich mich umgeben? Meine Form einer Work-Life-Balance ist mein Ziel. Die Arbeit am Theater ist sehr zeitintensiv und fordernd. Mir ist deshalb ein gutes soziales Umfeld wichtig, das manchmal auch gar nichts mit dem Job zu tun hat. Ein weiteres Thema ist Heimat: das Zuhause, ein guter Freundeskreis.
Ich habe großes Interesse an der Arbeit mit jungen Menschen – als Dozent oder Professor an einer Uni, das würde mich sehr interessieren. Das Genre sollte bleiben. Später, als Rentner werde ich vielleicht noch Patissier. Aber vielleicht genieße ich auch einfach nur weiterhin guten Süßkram … 😉 

Welche Frage hätte ich Dir noch stellen können oder sollen? 

Vielleicht finden wir das gemeinsam raus, wenn du noch Fragen haben solltest …

Jan Meier ist ein Freund außergewöhnlicher Postkartenmotive und fand sein Motto auf drei Karten wieder, die er in einem Pop-Up-Store während der Salzburger Festspielsaison 2020 entdeckte: „Sometimes I feel – Sometimes I think – Do it!“ (Foto: privat)

Ich bedanke mich bei Jan Meier sehr herzlich für das Interview und empfehle den Blick auf das aktuelle Programm der Salzburger Festspiele, die mit einem guten Hygienekonzept trotz aller Corona-Widrigkeiten im Jahr 2020 ihr 100. Jubiläum feiern konnten.