Es gibt Menschen, die Berufe ergreifen und ausfüllen, die kaum bekannt oder unbeachtet sind. So unterschiedlich die Tätigkeiten und Inhalte auch sind, so eint sie doch etwas: Pure Leidenschaft für ihr Thema. In einer neuen Interviewreihe “Berufung als Beruf” möchte ich Menschen, ihre Berufe und Lebenseinstellungen vorstellen und zu Wort kommen lassen, die ihr ganz besonderes Etwas entdeckt und entwickelt haben, es leben und erlebbar machen.
Als passiv musikbegeisterter Red Head starte ich diese Reihe mit einem aktiv musikbegeistertem Red Head. Und gleich ist mir klar: Ich hätte noch so viele weitere Fragen an ihn …
Viel Freude und gute Inspirationen beim Lesen!
Bitte stell Dich, Deinen Beruf und Deinen Werdegang kurz vor
Mein Name ist Robert Selinger, ich bin Musiker. Als Lektor am Mozarteum Salzburg, als Kantor der Kreuzkirche München und als Leiter des Svapinga Consorts beschäftige ich mich mit der ganzen Breite des musikalischen Repertoires und einer großen Anzahl verschiedenster Menschen. Studien in Stuttgart, Toulouse und München haben mich zu vielen historischen Tasteninstrumenten geführt, auf diesen liegt inzwischen auch mein Schwerpunkt.
Wann hast Du Deine berufliche Leidenschaft erkannt und wann sie zum Beruf gemacht?
Das ist relativ früh passiert, da meine Eltern mich sehr gefördert haben. Schon in der Grundschule wollte ich unbedingt Instrumente lernen, und bin dann vom Klavier übers Cello zur Orgel gekommen. Bald war mir klar, dass besonders Tasteninstrumente mein Ausdrucksmittel sind. Dass Kammermusik und Ensembleleitung dazu gekommen sind, ist dann eigentlich erst im Lauf meines Studiums passiert, als ich immer mehr realisiert habe, dass Musik auch eine wunderbare soziale Komponente hat, auf die man als „Einzelkämpfer“ am Instrument viel zu oft verzichtet.
Was (und/oder wer) hat Dir auf diesem Weg Mut gemacht und Dich gestärkt?
Ganz sicher meine Familie und meine Eltern: Es stand eigentlich nie die Frage im Raum, ob ein Leben als Musiker sinnvoll ist. Das war quasi vorausgesetzt und sie haben meine Entscheidung daher voll mitgetragen. Und dann natürlich noch Lehrer, Kommilitonen, und viele wunderbare Kollegen, mit denen ich heute noch musiziere.
Wo liegen oder lagen Hindernisse – welchen Preis hat es Dich gekostet (oder kostet es noch)?
Ich denke, die meisten Hindernisse liegen in einem selbst. Den eigenen Willen zu finden, sich nicht beirren zu lassen, seine Ziele klar zu definieren und dann an der Umsetzung zu arbeiten – das klingt viel leichter, als es oft ist, besonders wenn es um Kunst geht. Von einem Preis, den man dafür bezahlen muss, würde ich allerdings nicht sprechen – wenn sich Musiker über ihre unregelmäßige Arbeitszeiten oder das viele Reisen beschweren, sollten wir uns immer wieder bewusst machen, wie viel Außergewöhnliches wir auch in unserem Beruf erleben dürfen.
Würdest Du heute etwas anders machen? Wenn ja, was? Wenn nein, weshalb nicht?
In meinem Werdegang haben Zufälle eine große Rolle gespielt. Da ich schon grundlegend nicht über die Vergangenheit im Sinn von Modellen oder verschiedenen Szenarien à la „was wäre, wenn“ nachdenke, aber in meinem Fall auch besonders dankbar bin für Ereignisse, die ich überhaupt nicht voraus geplant habe, würde ich gar nichts anders machen, sondern einfach wieder versuchen, meinen Weg geradlinig zu gehen.
Was würdest Du jemandem empfehlen, der an sich und seinen Fähigkeiten zweifelt und sich so nicht auf seinen Weg begibt bzw. ihn abbrechen will?
Such Dir einen Ratgeber, dem Du künstlerisch UND menschlich vollkommen vertrauen kannst. Er wird Dir ehrlich sagen können, ob deine Zweifel und deine Einschätzung berechtigt sind oder nicht. Vor allem aber frage Dich selbst, werde Dir über dich bewusst. Und ich würde wohl jedem Menschen einen kleinen Spruch von Rainer Maria Rilke mit auf den Weg geben: Trotzdem ist das Leben etwas ganz Prächtiges!
Was wünscht Du Dir, welches Ziel hast Du für die Zukunft und wie sehen Deine nächsten Schritte aus?
Ich wünsche mir, offen zu bleiben für Inspiration, für Zufälle, für Neues. Das macht einen Künstler für mich aus, dass er sich nicht einschließt und bei seinem einmal erarbeiteten Stand bleibt, sondern sich immer weiter entwickelt. Und ich hoffe, dass meine nächsten Schritte alle in diese Richtung führen werden.
Welche Frage hätte ich Dir noch stellen können oder sollen?
Vielleicht die, was ich einem Musiker empfehlen würde, um sich weiter zu entwickeln. Da würde ich das sagen, was mir neulich ein befreundeter Orgelbauer aus einem Traktat, das schon über 400 Jahre alt ist, zitiert hat: “Arbeite nicht stundenlang an einer Sache, sondern gehe immer wieder raus in die Natur. Unternimm lange Spaziergänge, um den Klang der Natur in dir aufzunehmen, und gehe dann zurück an deine Arbeit und versuche, diesen Klang wiederzufinden.”
Ich bedanke mich sehr herzlich für das Interview und empfehle allen, die Robert Selinger live bei der Arbeit bzw. auf der Bühne erleben möchten, einen Blick auf seine Website. Münchner_innen und Münchner Umländer_innen haben bereits am Gründonnerstag (18. April 2019, 17:00 Uhr, Familienkonzert) und Karfreitag (19. April 2019, 15:00 Uhr) Gelegenheit, einem Konzert des Svapinga Consorts zu lauschen.