Karrierebooster Arroganz? Dann stampft doch gleich trotzig auf!

Vor einigen Tagen holte das Facebook-Team von PlanW ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit einem als Arroganz-Trainer auftretenden Karriere-Coach aus dem April 2014-Archiv hervor und postete ihn unkommentiert bei Facebook. Und es gibt keine kritische Stimme dazu! Nicht eine.
Um es klarzustellen: Ich schätze die Arbeit von PlanW normalerweise sehr. Denn üblicherweise vertritt PlanW Businessthemen für und von Frauen und unterstützt sie darin, ihren eigenen Platz zu finden und auszufüllen. Und zwar den, der ihnen zusteht: Als Mensch, der was drauf hat und etwas mit seinem Handeln bewirkt, wohlgemerkt. Nicht als Teil irgendeiner Quote, die gerade mal irgendwo erfüllt werden muss, weil dies eben gerade sozialpolitisch en vogue zu sein hat.

Kommt Arroganz jetzt in Mode?

Aber sagt mal, liebe Frauen, die Ihr die Bücher des besagten Karriere-Coachs kauft und lest und/oder sogar seine Seminare besucht – verhaltet Ihr Euch tatsächlich gemäß seiner Ratschläge? Seid Ihr alle mittlerweile auch schön brav arrogant, wie er es Euch geheißen hat? So arrogant, wie Ihr so manchen Vorgesetzten oder Kollegen oder auch Kundenberater schon schmerzlich erlebt habt? Wollt Ihr wirklich sein wie diejenigen, über die Ihr in der Erzählung gegenüber Freunden oder auch Kollegen vom „arroganten Arschloch“ sprecht?

Am Rande sei erwähnt, dass ein guter Coach Euch nicht vorschreibt, wie Ihr Euch zu verhalten habt (dann ist er nämlich kein Coach, sondern Trainer oder Berater) – ein Coach begleitet Euch vielmehr auf Eurem Weg zur Entdeckung Eures vollen Potentials. Und er oder sie unterstützt Euch dabei, herauszufinden, was Ihr vielleicht noch benötigt, um es für Euch wirklich spürbar und auch für Dritte voll sichtbar sowie erlebbar zu machen.

Denn: Es ist Euer Leben. Es sind Eure Ziele, die Ihr erreichen wollt und zwar auf dem Weg, den Ihr für richtig haltet. Warum also lasst Ihr Euch immer und immer wieder vorsetzen, wie Euer Weg auszusehen hat? Ihr lauft so immer wieder hinein in all die alten Glaubensätze und Bannsprüche, die Euch seit der Kindheit von Eltern, anderen Verwandten, Kindergarten- oder Schulpädagogen sowie sonstigen Kindheits- und Jugendbegleitungen eingeimpft und aufgepropft wurden. Diese Glaubenssätze und inneren Antreiber, die wir alle bis zum Alter von etwa acht Jahren inhalieren und tief in uns verankern, lauten beispielsweise „Sei tüchtig!“, „Sei stark!“, Sei gefällig“ oder „Streng Dich an!“. Und daneben gibt es auch noch die sogenannten Bannbotschaften (nach Stewart/Joines), die Aussagen wie „Sei nicht Du selbst“, „Sei nicht erfolgreich“, „Sei nicht wichtig“ oder „Sei nicht zugehörig“ beinhalten. Sie werden meist nonverbal vermittelt und bis zum Erreichen des 3. Lebensjahrs in uns verankert.

Raus aus alten Glaubenssätzen und Überzeugungen!

Und nun müssen Frauen also auch noch arrogant werden, um endlich erfolgreich sein zu können. Was für ne tolle Botschaft! Das ist geradezu so, als würdet Ihr Eure Kinder mit folgendem Satz erziehen: „Ahme nach, wen Du nicht magst“. Oder sogar „Ahme nach, wer Dich abstößt“. Würdet Ihr das wirklich so formulieren? Und noch schlimmer: würdet Ihr das am Ende auch so meinen? Das kann und möchte ich mir nicht vorstellen.

Und wieder ist es ein Mann, der uns erzählt, wie wir uns zu verhalten haben, wie wir sein sollen und was wir zu tun haben. Das bringt doch nichts. Denn es geht nicht um ihn und seine Vorstellung von der Welt (die natürlich trotz und bei aller beruflichen Expertise männlich geprägt ist). Wichtig ist doch vielmehr, herauszufinden, wer Ihr seid und was Ihr selbst wollt? Welche Ziele habt Ihr und wie wollt und könnt Ihr sie erreichen? Mit welchen eigenen inneren Fähigkeiten, Talenten, Stärken? Welche Erkenntnisse und Erfahrungen helfen Euch dabei, an Euer Ziel zu kommen? Worüber verfügt Ihr bereits und was benötigt Ihr vielleicht noch?
Raus aus den alten Glaubenssätzen! Und vor allem weg mit dieser Ansicht „Du bist so nicht richtig, wie Du bist“! Natürlich bist Du richtig, wie Du bist.

Say it loud, say it proud: „Du schaffst das nie!“

Passenderweise tauchte zeitnah zum SZ-Interview  in meiner Facebook-Timeline auch ein Video aus Amerika auf, in dem Frauen zunächst befragt wurden, wie sie mit sich selbst sprechen. Da fielen Sätze wie „Du bist echt unfähig – Du kannst ja nicht mal Deine eigene Küche sauber halten!“ oder „Du wirst es nie schaffen, abzunehmen – Du wirst immer so ekelhaft fett bleiben!“. Im zweiten Schritt zeigte die Moderatorin den Frauen ein ihnen ähnelndes, auf Lebensgröße vergrößertes Kinderbild und wollte wissen, ob sie die vorher geäußerten Sätze auch diesen Mädchen sagen würden. Umgehend war allen Befragten klar, dass sie auf diese krude Art nur mit sich selbst umgingen – und zwar meist sogar mehrfach täglich.

Zurück zur Arroganz-Empfehlung: Nun stellt Euch doch bitte mal vor den Spiegel, blickt eine Weile hinein und dann sagt Euch laut und deutlich „Sei arrogant! Sonst wird nie was aus Dir! Du schaffst es nie, eine erfolgreiche Frau zu werden, wenn Du nicht arrogant bist!“. Schafft Ihr das? Könnt Ihr Euch dabei ernstnehmen? Bekommt Ihr Respekt vor Euch selbst? Oder erkennt Ihr etwas anderes? Einfach mal ausprobieren.

Wer bist Du, wenn Du keine billige Kopie sein willst?

Es geht um die innere Haltung, nicht um äußeres Nachäffen von Verhalten, das noch dazu vom Gros der Menschen als überaus unangenehm bis hin zu verzichtbar angesehen wird. Und mit Verlaub: Wie kommt denn der Antwortvorschlag für die unterbrochene und mit doppelt geäußertem „Glaub ich nicht!“ provozierte Rednerin daher? „Doch“, solle sie sagen. Dann kurz schweigen. Um anschließend mit einem „Ist belegt“ abzubinden. Das soll arrogant sein? Am Ende sogar souverän sein? Nein, dieser Vorschlag beinhaltet ein gefühltes Aufstampfen mit dem Fuß. Wie von einem kleinen bockigen Kind. Souveränität geht anders.

Jeder Job in einer Organisation entspricht einer Rolle bzw. einer Funktion. Sie wird ausgefüllt von einer Person, also einem Menschen. Ausgefüllt bedeutet hier aber nicht, dass sie gespielt (also dargestellt) wird, wie vom Herrn Karriere-Coach vorgeschlagen. Ausgefüllt bedeutet: diese Rolle wird wahrgenommen von einer Persönlichkeit. Und wann ist jemand eine Persönlichkeit: Wenn er oder sie weiß, wer er oder sie ist, was er oder sie kann und was er oder sie will. Dann ist man souverän, präsent und sicherlich auch erfolgreich.

Inspiration vs. Imitation

Natürlich ist es keinesfalls falsch oder gar verboten, Seitenblicke auf Dritte zu wagen. Schließlich leben wir alle seit frühester Kindheit in der Eigenmessung durch den Vergleich mit anderen. „Am Du zum ich werden“ benannte Martin Buber dies Phänomen. Wenn Mädchen und Frauen sich während ihrer Entwicklungsphasen von Kindheitsheldinnen über Pop-Stars bis hin zu beruflichen Vorbildern orientieren, sind es bei Jungs und Männern eben andere Helden, die sie sich zum Vorbild nehmen. Alles gut, alles völlig okay.
Bei beiden Geschlechtern wird die Verehrung allerdings dann peinlich und unglaubwürdig, wenn versucht wird, besagte Vorbilder zu kopieren. Und dabei ist es völlig egal, ob dies Handlungen oder Präsentationsfähigkeiten, die Gestik, den Kleidungs- oder den rhetorischen Stil betrifft – jeder riecht drei Kilometer gegen den Wind, dass man nicht ist, wer man zu sein vorgibt.

Wagt dennoch ruhig mal den Seitenblick auf die beeindruckende Kollegen, Vorgesetzte, Unternehmerinnen oder Politikerinnen – und findet dann für Euch heraus, was genau es ist, das Euch an ihnen so beeindruckt.
Bittet dann aber auch vertraute Menschen in Eurem privaten oder beruflichen Umfeld, Euch wertschätzendes Feedback zu geben: “Wie nimmst Du mich wahr? Welche Stärken erkennst Du bei mir?“ Ja, das kostet Überwindung und manchmal sogar Mut, diese Fragen zu stellen. Und doch lohnt es sich: Wann immer ich meinen Coaching-Klienten diese Feedback-Übung als „Hausaufgabe“ anbiete, berichten sie bei der nächsten Sitzung davon, welch positive Überraschungen und Erkenntnisse sie daraus ziehen konnten. Nicht selten fällt ein Satz wie „Mir war gar nicht klar, dass ich so wahrgenommen werde!“ Umso schöner ist’s dann, wenn auch noch just die Eigenschaften genannt werden, die man am Vorbild schätzt, an sich selbst aber bislang nicht sehen konnte. Es macht einen fulminanten Unterschied aus, ob Ihr Eure eigene Persönlichkeit im Vergleich mit und der Reflektion an diesen Vorbildern schärft oder ob Ihr sie einfach zu imitieren zu versucht.

Lasst Euch bitte nicht länger einreden, Ihr müsstet so oder so sein, um erfolgreich zu werden.
Wir sind doch bitte kein Abklatsch oder gar eine Karikatur von jemandem – wir alle sind doch Originale!

2 Antworten auf „Karrierebooster Arroganz? Dann stampft doch gleich trotzig auf!“

  1. Danke, liebe Catharina, für deinen ausführlichen Kommentar, den ich sehr klug finde und in seiner bzw. deiner Grundhaltung unterschreiben kann. Ich stelle aber immer wieder fest, dass es so in der Realität der aktuellen Arbeitswelt – insbesondere innerhalb fester Strukturen und Anstellungsverhältnisse – nicht gut funktioniert. Sondern eben oft auf Kosten der Frau „ausgeht“ – auch wenn die „alles richtig“ gemacht hat. Ich lese die Empfehlungen von Peter Moder aber nicht als Handlungsanweisungen. Ich würde mir auch von ihm nicht vorschreiben lassen, wie ich mich zu verhalten habe. Sondern ich finde es hochinteressant, alltägliche Situationen, die ich selber aus eigenem Erleben oder vielfacher Beobachtung kenne, mal durch eine andere, männliche Brille zu sehen und mir vorzustellen (oder von ihm vorgestellt zu bekommen), wie dieselbe Situation ausgehen würde, wenn man – die Frau – einmal völlig anders als gewöhnlich darauf reagiert.
    Ich bin nicht der Meinung, dass man daraus ein dauerhaft anderes – männliches – Verhalten ableiten und fortan trainieren und beibehalten sollte. Ich glaube nämlich, dass der ein- oder mehrmals wiederholte Einsatz des von Moder skizzierten Rollenspiels bereits einiges bewegen kann und daher einen Versuch wert ist: bewegen bei „ihm“ – dem männlichen Gegenüber -, der plötzlich gezwungen wird, aus eigenen Verhaltensmustern wenigstens in der akuten Situation auszusteigen, da ihm eine unerwartete und unbekannte oder mindestens ungewohnte Reaktion entgegen schlägt.
    Bewegen aber auch bei „ihr“ – also uns Frauen -, weil sie ebenfalls eine gewohnte Situation neu erleben wird und daraus neue Erkenntnisse für künftige ähnliche Erlebnisse gewinnen kann. Und das muss meiner Meinung nach – und hier widerspreche ich Moder – nicht zwangsläufig bedeuten, das neue – männliche – Verhalten beizubehalten. Es kann aus meiner Sicht vielmehr gut sein, dass allein die Erkenntnis, auf welch simplen Strickmustern das Verhalten des männlichen Chefs oder Kollegen eigentlich basiert (und wie einfach es auszuhebeln ist), bereits dafür sorgt, künftig selbst wesentlich lockerer, furchtloser, lächelnder in ähnliche Situationen hineinzugehen und diese auf die von dir, liebe Catharina, zurecht befürwortete eigene starke, weibliche Weise erfolgreich zu bewältigen.

  2. Besten Dank fürs Teilen Deiner Gedanken zu dem Thema, liebe Geli!
    Ja, ich stimme Dir zu: Im Alltag ist für viele Frauen ein neues, verändertes Verhalten (zunächst) meist schwierig umzusetzen. Vor allem, wenn sie immer wieder mit denselben „Kontrahenten“ konfrontiert sind.
    Und ich stimme Dir auch zu, dass allein der Perspektivwechsel schon etwas bewirken kann, denn allein dadurch geht man ja einen ersten Schritt in Richtung Veränderung. Nur erleben viele Frauen dann, dass ihrem Mut, mal anders und in diesem Falle eben auch „männlicher“ auf eine Herausforderung zu reagieren, eine Reaktion des Gegenübers folgt, die noch unangenehmer ist. Verglichen mit einem Spiel auf dem Tennisplatz hat die Frau also intensiv trainiert und sprintet dem vom Mann (ich nenne ihn bewusst nicht Gegner) platzierten Ball so gut hinterher, dass sie ihn noch knapp vor dem Spielfeldrand erreicht und parieren kann. Pech nur, wenn der Mann sich mittlerweile unmittelbar ans Netz platziert hat und mitten in den ja an sich kräftigen und gut sitzenden Schlag einfach sein Racket einhält und den Ball daran abprallen lässt. Und zwar so, dass sie keine Chance mehr hat, den Punkt für sich zu verbuchen. Genau so beschrieb eine Klientin von mir das Gefühl mal, als sie ihren Vorgesetzten in seiner Ausdrucksweise und seinem Verhalten gegenüber anderen imitierte. Gerade noch stolz, den Ball noch übers Netz geschlagen zu haben fühlte sie sich dann einfach nur noch machtlos, weil er sich selbstbewusst und erfahren besser „am Netz“ positioniert hatte.
    Um Versuche wie diese zu starten, sollte man schon sehr selbstreflektiert und selbst-bewusst sein (wie ich Dich ja auch erlebe). Insofern plädiere ich dafür, den Perspektivwechsel besser erstmal im geschützten Raum als in der unmittelbaren Situation (zumeist ja auch noch coram publico) zu erproben – und dafür haben wir Coaches wunderbare Tools an der Hand. In unserem „Nicht mit mir!“-Workshop (früher auch als „Die Lilith-Energie“ bekannt) und auch im „Nicht mit mir!“-Buch haben Nathalie und ich viel unterschiedliche Übungen integriert, in denen sich unsere Teilnehmerinnen für ihr individuelles Thema neue Handlungsoptionen entwickeln und erproben können. Natürlich erst, wenn sie wissen, warum sie letztlich beim Vorgesetzten A oder Kollegen B oder Kunden C (der jeweils auch immer weiblich sein kann) bislang so unsouverän reagieren bzw. einfach nicht wahrgenommen oder ernstgenommen werden. Den Workshop gibt es nun seit 2015 und unsere Teilnehmerinnen melden nach einigen Wochen oder Monaten zurück, dass sie tatsächlich etwas verändern konnten. Und was uns natürlich besonders gefreut hat: Wir hatten Teilnehmerinnen, die (mittlerweile) selbst in Führungsverantwortung sind und die uns dann immer wieder Mitglieder ihres Teams in den Workshop schicken – oder uns für einen internen Workshop für ihr Team (zum Teil auch an mehreren Standorten verteilt) in Haus holen. Das belegt: Die Veränderung wird wirklich wahrnehmbar!
    Wer tatsächlich mal die Perspektive stark verändern will, kann an einem „Man for a Day“-Workshop von Diane Torr teilnehmen oder zunächst den Film darüber anschauen http://manforaday-film.com/inhalt.html
    Es gibt also unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema und so wird jede Frau auch ihre Möglichkeit finden, ihren Zugang dazu zu finden.
    Und ich überlege mir jetzt einfach mal, ob ich als Frau wohl die Zielgruppe Männer für Empathie-Workshops© begeistern könnte und wie das genaue Konzept aussehen könnte … 😉

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